Themen Mediathek Shop Lernen Veranstaltungen kurz&knapp Die bpb Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen Mehr Artikel im

15 Jahre Euro-Rettungsschirm | Hintergrund aktuell | bpb.de

15 Jahre Euro-Rettungsschirm

Redaktion

/ 8 Minuten zu lesen

Am 10. Mai 2010 beschloss die EU ein Stabilisierungspaket, um die Volkswirtschaften in der Eurozone zu stützen. Betroffen war vor allem Griechenland. Die Folgen der „Eurokrise“ sind bis heute spürbar.

Ein Frau steht am 11.05.2010 im Regen mit einem blauen EU-Schirm vor dem Gebäudekomplex der EU-Kommission in Brüssel. (© picture-alliance/dpa, Thierry Monasse)

Spätestens ab Anfang 2010 befand sich die Interner Link: Europäische Währungsunion (EWU) in einer tiefen Krise. Deren Ursachen werden bis heute kontrovers diskutiert. In ihr kamen Elemente einer Staatsschuldenkrise, einer Bankenkrise und einer Konjunkturkrise zusammen. Das machte umfangreiche finanzielle Rettungsmaßnahmen im Euroraum notwendig.

Die Europäische Währungsunion wurde 1991 mit dem Vertrag von Maastricht geschaffen. Der Euro wurde 1999 als „Buchgeld“ eingeführt und zunächst nur zur Verrechnung und für den elektronischen Zahlungsverkehr verwendet. Interner Link: Seit 2002 gibt es den Euro auch als Bargeld.

Bei der Einführung der Gemeinschaftswährung galt es als unwahrscheinlich, dass ein einzelner Mitgliedsstaat der Eurozone zahlungsunfähig werden könnte. Bald zeigte sich, dass die Interner Link: wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedsstaaten teils weit auseinanderklaffte.

Länder wie Deutschland, die Niederlande oder Österreich wiesen einen Bilanzüberschuss auf. Vereinfacht gesagt: Sie exportierten mehr Güter als sie importierten. Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien hatten dagegen ein Bilanzdefizit. Vor der gemeinsamen Währung konnten Interner Link: Länder mit Bilanzdefiziten ihre Währungen abwerten, um ihre Exporte zu verbilligen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Umgekehrt werteten exportstarke Länder ihre Währung in der Regel auf, was ihre Exporte verteuerte. Mit der Gemeinschaftswährung war das nicht mehr möglich. Auch deshalb stieg die Staatsverschuldung in den Importländern an.

Wendepunkt: Die Finanz- und Bankenkrise

Ab der Jahrtausendwende war in einigen Ländern mit negativer Leistungsbilanz auch der Schuldenstand der Haushalte wie der Unternehmen gestiegen, und das Risikobewusstsein der Banken und anderer Finanzmarktteilnehmer war vergleichsweise gering. So vergaben die Banken sehr freizügig Kredite. Das geliehene Geld floss häufig in den Immobiliensektor. Der Baubranche in Ländern wie Spanien oder Irland bescherte das einen Boom, die Wirtschaft wuchs und auch die Staatseinnahmen entwickelten sich in dieser Zeit positiv.

Die internationale Interner Link: Finanz- und Bankenkrise von 2007 bis 2009, die vor allem durch „faule Kredite“ auf dem US-Immobilienmarkt entstanden war, brachte diese Entwicklung aus dem Gleichgewicht. Die Nachfrage im Immobiliensektor brach ein, Banken hatten mit Zahlungsausfällen zu kämpfen und scheuten sich davor, neue Kredite zu gewähren. Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in Europa.

Im Zuge der Wirtschaftskrise brach die Konjunktur ein, zugleich stieg die Zahl der Arbeitslosen, was zu Mehrausgaben in den Staatshaushalten führte. Gleichzeitig brachten die Staaten der Eurozone zum Teil gigantische Summen auf, um Banken zu retten, die durch ihre großzügige Kreditpolitik in Existenznot geraten waren. Von 2008 bis 2011 erhielt der Bankensektor insgesamt 1,6 Billionen Euro an Hilfsgeldern der EU-Staaten. Daraus entstand eine toxische Stimmung an den Finanzmärkten, die einige Eurostaaten an den Rand der Pleite brachte.

Griechenland besonders stark betroffen

Besonders spürbar waren die Folgen in Griechenland. Bereits in den 1990er-Jahren gab es Zweifel, ob das Land der Eurozone beitreten sollte. Die griechische Regierung fälschte in den späten 1990er-Jahren die eigenen Defizitzahlen, um Griechenland den Beitritt zur Europäischen Währungsunion zu ermöglichen.

Und auch danach übermittelte Athen verfälschte Zahlen über den Stand der Neuverschuldung nach Brüssel. Ein Jahrzehnt lang verfehlte die griechische Regierung fast immer die Defizitkriterien des Interner Link: Maastrichter Vertrages, in dem 1992 festgeschrieben wurde, dass die jährliche Neuverschuldung der Euro-Staaten unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleiben muss und der Schuldenstand nicht höher als 60 Prozent des BIP sein darf. Obwohl in der Geschichte des Euro wiederholt auch große Volkswirtschaften wie Deutschland oder Frankreich die Defizitkriterien nicht einhielten, hatte dies nirgends so gravierende Folgen wie in Griechenland.

Ende 2007 lag die Gesamtverschuldung des griechischen Staates bei 105 Prozent des BIP. Die in der Bankenkrise geleisteten Hilfszahlungen an den Finanzsektor ließen die Staatsschulden Griechenlands in kürzester Zeit auf 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen.

Vertrauensverlust der Märkte

Auslöser der Eurokrise war ein Vertrauensverlust in die Zahlungsfähigkeit Griechenlands, der sich ab Ende 2009 beschleunigte. Bereits im Januar 2010 war klar, dass Griechenland eine Neuverschuldung in Höhe von 12,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das laufende Haushaltsjahr anstrebt. Gleichzeitig stiegen die Zinsen für griechische Staatsanleihen sprunghaft an: Die Neuverschuldung für die Bankenrettung erhöhte sich damit nochmals deutlich und drohte den griechischen Staat zu überfordern.

Im Januar 2010 war erstmalig von einem möglichen Staatsbankrott Griechenlands die Rede. Dazu wurden die jahrelangen Staatsbilanzfälschungen durch die griechische Regierung im Februar 2010 bekannt. Es wurde befürchtet, dass eine mögliche Staatspleite Griechenlands zu einer Art Dominoeffekt führen könnte. Denn auch andere Euro-Staaten hatten mit einer instabilen Haushaltslage zu kämpfen.

Erstes Rettungspaket für Griechenland

Am 11. April 2010 beschlossen die EU-Staaten, den griechischen Staatshaushalt mit Hilfszahlungen von bis zu 110 Milliarden Euro zu stützen. Knapp zwei Wochen später, am 23. April 2010, begann die griechische Regierung, diese Mittel abzurufen. Die deutsche Bundesregierung stellte umgehend klar, dass eine Sparpolitik in Griechenland Grundvoraussetzung für die Freigabe der Hilfspakete sei. Damit begann eine jahrelange Interner Link: Debatte über den Sinn und die Folgen dieser Austeritätspolitik in Südeuropa.

Nachdem die Zinsen für griechische Staatsanleihen bereits gestiegen waren, zogen sie im April und Anfang Mai 2010 auch für spanische und portugiesische Staatsanleihen schlagartig an. Es wuchs die Sorge, dass andere Länder ähnliche Probleme bekommen könnten wie Griechenland – und dass es bei Volkswirtschaften von der Größe Spaniens keine Möglichkeit einer gemeinsamen EU-Rettungsaktion mehr geben könnte. Spanien wurde insbesondere von der Immobilienkrise hart getroffen.

Entscheidung für den Euro-Rettungsschirm

Am 10. Mai 2010 beschloss der Europäische Rat auf einer Sondersitzung ein umfassendes Stabilisierungspaket – den sogenannten Euro-Rettungsschirm. Das Paket bestand aus zwei Hauptbestandteilen:

  1. Dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), der sich auf Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union stützte und Soforthilfen in Höhe von 60 Milliarden Euro umfasste, die als Darlehen aus dem EU-Haushalt gewährt werden sollten.

  2. Der Externer Link: Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (ESFS). mit einem Volumen von 440 Milliarden Euro. Mit diesem Geld sollten Kreditausfallbürgschaften für kriselnde Staaten übernommen werden.

Hinzu kamen Garantien des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 250 Milliarden Euro. Die Gesamtsumme des „Euro-Rettungsschirms“, wie er am 10. Mai 2010 beschlossen wurde, betrug damit 750 Milliarden Euro.

Vor allem Griechenland, aber auch Portugal und Irland nahmen bis 2013 Mittel des ESFS in Anspruch. Irland hat seine Hilfen bereits bis 2021 vollständig zurückgezahlt, Portugal wird die letzte Rate voraussichtlich 2040 begleichen. Griechenland wird noch jahrzehntellang tilgen müssen – die meisten Kredite laufen bis ins Jahr 2070.

ESM ersetzt die ESFS

Im Jahr 2011 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone die Einführung des Interner Link: Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der im September 2012 in Kraft trat und bis Juli 2013 den ESFS ablöste. Der ESM wurde als internationale Finanzinstitution mit Sitz in Brüssel gegründet.

Das Stammkapital des ESM betrug 700 Milliarden Euro, wovon Deutschland 190 Milliarden Euro bereitstellte. Artikel 12 des ESM-Vertrags sah ausdrücklich vor, dass mögliche Finanzhilfen an Bedingungen geknüpft sind – die „von einem makroökonomischen Anpassungsprogramm bis zur kontinuierlichen Erfüllung zuvor festgelegter Anspruchsvoraussetzungen“ reichen können. Über die Einhaltung der Auflagen wachte ein Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds – die sogenannte Interner Link: Troika.

Parallel dazu wurde im Januar 2012 der Europäische Interner Link: Fiskalpakt beschlossen – ein Maßnahmenpaket, mit dem das Vertrauen der Finanzmärkte in die Volkswirtschaften der Eurozone gestärkt werden sollte. Die bestehenden Stabilitätskriterien der Europäischen Währungsunion wurden darin verschärft. So verpflichteten sich die Unterzeichnenden unter anderem zur Einführung nationaler Interner Link: Schuldenbremsen.

Sparpolitik mit weitreichenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen

Besonders in Griechenland waren die sozialen Folgen der Austeritätspolitik immens. Zwischen 2007 und 2013 verdreifachte sich die Zahl der Menschen, die in Armut lebten. Die Arbeitslosenquote stieg bis 2016 auf 25 Prozent, gleichzeitig wurden allein zwischen 2010 und 2014 fast 30 Milliarden Euro an öffentlichen Investitionen und Sozialausgaben gestrichen, Löhne und Renten wurden gekürzt. Die ohnehin schon schwächelnde Wirtschaftsleistung brach 2011 um zehn Prozent ein.

Die dafür geleisteten Hilfsgelder sollten Griechenland dabei helfen, zahlungsfähig zu bleiben und seine Kredite weiter bedienen zu können. Bis heute wird an dieser Praxis kritisiert, dass die Gelder weniger für Investitionen in Griechenland als vielmehr für den Schuldendienst an ausländische Gläubiger, etwa in Deutschland oder Frankreich, verwendet würden. Externer Link: Mehr als drei Viertel (gut 159 Milliarden Euro) der Hilfsgelder bis Mitte 2013 seien direkt oder indirekt in den Finanzsektor anstatt in die griechische Wirtschaft geflossen.

Teil der Auflagen für Griechenland war die Privatisierung von Staatsvermögen in Milliardenhöhe. So gelangten unter anderem zentrale Infrastrukturprojekte in den Besitz ausländischer Investoren. Im August 2015 kaufte die deutsche Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt/Main Fraport die Betriebskonzessionen für 14 griechische Regionalflughäfen. Noch folgenreicher war der Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung am Hafen von Piräus an die chinesische Großreederei Cosco im April 2016. Seitdem besitzt der chinesische Staat – mittels des staatseigenen Unternehmens Cosco – eine logistische Drehscheibe in der Europäischen Union.

Befürwortende der Sparpolitik sind überzeugt: Am Ende hat die Austerität bewirkt, dass der Staatshaushalt saniert und die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wurde. Bis heute gibt es jedoch auch Kritik: So habe der Wegfall staatlicher Nachfrage die Konjunkturkrise bei immensen sozialen Kosten gar noch verschlimmert.

Griechenland verlässt 2018 den Euro-Rettungsschirm

Im Jahr 2018 verließ Griechenland offiziell den Rettungsschirm – seitdem kann der griechische Staat wieder am Finanzmarkt agieren, um sich zu finanzieren. Für die griechische Politik änderte sich zunächst wenig – sie wurde unter eine „verstärkte Überwachung“ gestellt, die bis 2022 bestand.

Aktuell plant die griechische Regierung, die ausstehenden Schulden aus dem ersten Rettungspaket wegen der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung und vergleichsweise niedrigen Zinsen für seine Staatsanleihen vorzeitig zurückzuzahlen. Die Schuldenquote Griechenlands hat sich deutlich verbessert – von 210 Prozent der Wirtschaftsleistung im Corona-Jahr 2020 auf 142 Prozent im Jahr 2025.

Langfristige Auswirkungen auf die europäische Politik

Die Eurokrise hat eine Reihe von Debatten angestoßen. Zeitweise standen sich Befürworterinnen und Befürworter einer strengen Sparpolitik – vor allem aus dem Norden der EU – mit Vertreterinnen und Vertretern einer stärker investitionsorientierten Finanzpolitik unversöhnlich gegenüber. In den deutschen Boulevardmedien entstand das Bild von einem kaum überwindbaren Gegensatz zwischen dem „sparsamen Norden“ und dem angeblich „verschwenderischen Süden“ Europas.

Auch die Debatte um ein „Demokratiedefizit“ prägte diese Zeit. Viele Bürgerinnen und Bürger Griechenlands fühlten sich durch die Auflagen ihrer politischen Autonomie beraubt – vor allem die Troika wurde zum Symbolbild einer als technokratisch und wenig demokratischen wahrgenommen EU. Gleichzeitig behaupteten dies auch Politikerinnen und Politiker in Nordeuropa – Interner Link: insbesondere rechtspopulistische Parteien wie beispielsweise die im Frühjahr 2013 als eurokritische Partei gegründete Alternative für Deutschland. Sie verwiesen darauf, dass die weitreichenden Rettungsmaßnahmen für südeuropäische Länder den finanziellen Handlungsspielraum ihrer Länder auf Generationen hinaus einschränken würden.

Die Eurozone blieb durch die Maßnahmen jedoch in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung erhalten. Ein „Grexit“ (Austritt Griechenlands aus dem Euro) wurde verhindert. Nicht zuletzt wurden die fiskalischen Steuerungsinstrumente der EU überarbeitet: So ließ eine von der Europäischen Kommission im April 2023 vorgeschlagene Reform zwar die von einigen Ökonominnen und Ökonomen kritisierten Maastricht-Ziele von 3 Prozent und 60 Prozent unangetastet, änderte aber die Art und Weise, wie und in welchem Zeitraum die beiden Werte in der Praxis erreicht werden müssen.

Im Januar 2025 entschied der Europäische Rat, dass sieben Länder (darunter Frankreich, Italien und Polen) gegen die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts verstoßen haben und folglich ein Defizitverfahren durchlaufen müssen. Zuvor hatte die EU-Kommission auch Deutschland in diesem Rahmen kritisiert: so gebe Deutschland zu wenig Geld aus und investiere zu wenig in seine Infrastruktur.

Der Deutsche Bundestag hatte Ende März 2025 eine Grundgesetzänderung beschlossen, die höhere Verteidigungsausgaben ermöglicht und ein Sondervermögen für die Infrastruktur aufstellt. In den öffentlichen Debatten dazu wurde jedoch gefragt, ob das Sondervermögen Externer Link: gegen die europäischen Fiskalregeln verstoßen könnte, die Deutschland zuvor selbst verschärft hatte.

Mehr zum Thema:

Weitere Inhalte

„Hintergrund Aktuell“ ist ein Angebot der Onlineredaktion der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Es wird von den Redakteur/-innen und Volontär/-innen der Onlineredaktion der bpb redaktionell verantwortet und seit 2017 zusammen mit dem Südpol-Redaktionsbüro Köster & Vierecke erstellt.

Interner Link: Mehr Informationen zur Redaktion von "Hintergrund aktuell"

OSZAR »